Die 35 Screening-Zentren und das Auswertungszentrum sind mit der Software Ophcare ausgestattet, die auf der Web-Kollaborationsplattform Middlec@re des Unternehmens Evolucare basiert.
Das 2004 auf Initiative von Prof. Pascale MASSIN gegründete Netzwerk OphDiaT (Ophtalmologie, Diabetes, Telemedizin) verbessert die Früherkennung der Retinopathie, von der ein Viertel aller Diabetiker betroffen sind und die zu einer Sehbehinderung führt. Wenn die Retinopathie in einem frühen Stadium erkannt wird, kann die Erblindung dank einer Laserbehandlung vermieden werden. Allerdings steigt die Zahl der Diabeteserkrankungen und nur die Hälfte der Betroffenen profitiert von einer jährlichen Fundusuntersuchung, die Herausforderungen für ein Netzwerk wie OphDiaT sind daher offensichtlich. Die Retinographie, auf der die Früherkennung basiert, wird mithilfe einer Funduskamera durchgeführt, die den Augenhintergrund ohne Erweiterung abbildet und von Orthoptisten und geschultem Pflegepersonal durchgeführt werden kann. Die Bilder werden an das Auswertungszentrum im Hôpital Lariboisière übertragen und dort analysiert. Die Diagnosen können von allen berechtigten Personen eingesehen werden. Die Lösung Ophcare, die in der gesamten Region Ile-de-France verwendet wird und ist aus der Kollaborationsplattform Middlec@re entstanden ist, bildet das technische Herzstück des Netzwerks.
Die Ferndiagnose erleichtert allen den Zugang zu medizinischem Know-how
Die Funduskameras und die Plattform Ophcare wurden als erstes in den Abteilungen für Diabetologie des Krankenanstaltenverbundes Assistance publique – Hôpitaux de Paris (APHP) bereitgestellt, darauf folgten Krankenhäuser, Umgebungen außerhalb von Krankenhäusern, Gesundheitszentren und Gefängnisse. Die Bilder können im Auswertungszentrum oder direkt bei den Augenärzten genutzt werden. Die Ferndiagnose kann somit gezielt für besonders benachteiligte Gebiete und Regionen, in denen Ärztemangel herrscht, eingesetzt werden. Diese Aspekte haben sicherlich dazu beigetragen haben, dass das Netzwerk durch die regionale Gesundheitsagentur ARS und Stellen wie das Zentrum zur Blindheitsprävention CPC (Centre de Prévention de la Cécité) und den Verein Valentin Haüy unterstützt wird. In Sachen Sicherheit und um die Verpflichtung in Bezug auf den vertraulichen Umgang mit den medizinischen Patientendaten zu garantieren, ist das gesamte auf Ophcare basierende Netzwerk durch eine starke Benutzerauthentifizierung gesichert. Alle Vorgänge können vollständig nachvollzogen werden.
Middlec@re, die Basis von Ophcare, eine vielseitige Plattform
Die umfassende Plattform Middlec@re generiert automatisierte Berichte und Statistiken, verwaltet die Qualitätskontrolle und ermöglicht es, die Bildschirme und die Felder zu personalisieren. Im Netzwerk OphDiaT hat diese Plattform die Früherkennungsuntersuchungen für die diabetische Retinopathie vereinfacht und die Behandlung der Patienten verbessert. In vergleichbaren Netzwerken wie beispielsweise beim Institut Francilien d’Implantation Cochléaire (6 Krankenhauszentren und 1 500 behandelte Patienten) oder LhénaBase (Lymphom, Myelom, akute Leukämie, myeloische Krankheiten – 9 Krankenhauszentren, 2 700 Patienten) wurde ein vergleichbarer Nutzen erzielt. Middlec@re ist somit für zahlreiche Anwendungen geeignet, von der spezialisierten Telemedizin-Plattform bis zum gemeinsamen Management einer Patientenakte in einem Pflegenetzwerk oder einer Einrichtung.
- In 33 Screening-Zentren in der Region Ile-de-France und 2 Zentren in Guyana werden pro Jahr 15 000 Untersuchungen durchgeführt. Seit dem Start des Netzes wurden mehr als 80 000 Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt.
- Das Netz OphDiaT wurde mit dem Preis „Prix du Manager Public 2012“ ausgezeichnet (Kategorie „Gesundheitseinrichtungen“).
- Am 8. März übergaben Bearing Point und die staatliche Generaldirektion für Modernisierung den Preis an den Leiter des Netzwerks Prof. Massin und seine Koordinatorin Dr. Chabouis. Thema des Preises 2012: Innovation
Gespräch mit Dr. Ali Erginay
Abteilung für Augenheilkunde, Hôpital Lariboisière
Ende 2008 wurde in einem Bericht der Direktion für die Krankenhausaufnahme und die Pflegeorganisation DHOS darauf hingewiesen, dass die meisten telemedizinischen Anwendungen noch nicht einsatzbereit waren. Das Netzwerk OphDiaT, das seit 2004 in Betrieb ist, war somit ein Vorreiter: Welche Faktoren oder Umstände haben diesen Fortschritt ermöglicht?
Dr. Erginay: Seit den 1980er-Jahren haben mehrere Länder in Nordeuropa und den USA Screening-Netzwerke für die diabetische Retinopathie eingerichtet. Prof. Pascale MASSIN, Leiter der Abteilung für Augenheilkunde bei der APHP, verfolgte diese Entwicklung aufmerksam und stellte fest, dass in Frankreich ein ähnlicher Bedarf bestand. Er wollte 2002 mit der Umsetzung des Projekts beginnen. Die ersten Pilotstudien fanden in Bichat in der Abteilung von Prof. MARRE statt. Letztendlich ist es uns gelungen, die Wartefrist von zwei bis drei Monaten für eine augenärztliche Untersuchung für die meisten Patienten, die im Netzwerk OphDiaT untersucht werden, auf einen globalen Prozess von 48 Stunden zu reduzieren.
Die Telemedizin tauchte ab August 2004 im Regelwerk auf. Wie wurden die juristischen Aspekte im Rahmen des Projekts berücksichtigt?
Dr. Erginay: Im Allgemeinen war das Informationssystem bereits mit den vorgeschriebenen Sicherheits- und Verschlüsselungssystemen ausgestattet. Außerdem konnten wir die Software konfigurieren und Entwicklungen durchführen, wenn es beispielsweise darum ging, die doppelte Auswertung der Bilder zu verwalten oder das Einverständnis der Patienten einzuholen und zu erfassen.
Die DHOS und der Verwaltungsrat beharren auf der Notwendigkeit von strengen Verfahren für die Telemedizin. Wie stellt OphDiaT ein gutes Qualitäts- und Sicherheitsniveau sicher?
Dr. Erginay: In Frankreich werden die Aufnahmen laut Gesetz von Orthoptisten und geschultem Pflegepersonal gemacht. Diese Vorgabe sorgt dafür, dass weniger als 10 % der Aufnahmen nicht auswertbar sind, ein Teil davon ist durch das Auge des Patienten bedingt, wenn beispielsweise ein Katarakt vorhanden ist. Operateure, die zu viele nicht auswertbare Bilder produzieren, nehmen an einer Zusatzschulung teil. Die Bilder werden immer von Augenärzten ausgewertet, im Gegensatz zu manch anderen Ländern, in denen es deshalb mitunter zu Streitfällen kommt. Außerdem nehmen wir bei 5 % der Bilder eine doppelte Auswertung vor, um die Qualität zu kontrollieren, hier würden wir gerne eine höhere Rate sehen, aber das ist aus Personalgründen nicht möglich. 2011 lag die Übereinstimmung dieser doppelten Auswertungen bei mehr als 94 %.
Welche Bilanz kann man acht Jahre nach der Einführung von OphDiaT im Hinblick auf die ursprünglichen Erwartungen ziehen?
Dr. Erginay: Sie wurden weitestgehend erfüllt. 2011 wurden fast 15 000 Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt. Bei 75 % wurde keine diabetische Retinopathie diagnostiziert und es folgte daher keine augenärztliche Untersuchung. Das stellt erhebliche Einsparungen im Hinblick auf die Zeit der Fachärzte und die Gesundheitskosten dar. Eine bessere Früherkennung ist gleichbedeutend mit einer besseren Prävention von schweren Erkrankungen wie Erblindung, der wirtschaftliche Nutzen und die Vorteile für den Patienten sind daher unermesslich. OphDiaT wurde außerdem mit einem Preis ausgezeichnet, der Prof. MASSIN und Dr. CHABOUIS, der Koordinatorin des Netzes vor kurzem verliehen wurde [siehe oben].
Laut der DHOS scheitert die Erweiterung von OphDiaT trotz eines positiven Gutachtens der obersten Gesundheitsbehörde HAS an Finanzierungsfragen …
Dr. Erginay: Bezüglich der Vorteile des Netzwerks ist man sich einig, allerdings sorgt die Nichterstattung von telemedizinischen Ferndiagnosen durch die Sozialversicherung für Probleme. Diese wirtschaftliche Barriere verhindert, dass vermehrt Augenärzte hinzugezogen werden, um die Bilder auszuwerten, daher kann die Zahl der Patienten, die die Ferndiagnostik unter denselben Qualitätsbedingungen und mit denselben Fristen (98 % der Ergebnisse sind innerhalb von 48 Stunden verfügbar) nutzen können, nicht erhöht werden. Auch das Thema der Verantwortung der Ärzte im Rahmen der Telemedizin muss geklärt werden. Wenn diese Hindernisse beseitigt sind, können wir Früherkennungsuntersuchungen bei mehr Patienten durchführen. Heute haben wir bereits zwei Screening-Zentren in Französisch-Guayana, das OphDiaT-Netzwerk kennt keine geografischen Grenzen!
Wie bewerten Sie das IT-Tool Ophcare, das im Zentrum des Netzwerks OphDiaT steht und auf der Software Middlec@re basiert, insgesamt?
Dr. Erginay: Es ist ein hervorragendes Tool und das Team von Evolucare reagiert sehr schnell, wenn es ein Problem gibt. Wir erfassen unseren Entwicklungsbedarf und etwa alle zwei Jahre wird eine aktualisierte, verbesserte Version eingeführt.